Achtung, wird wieder etwas länger!
Das ist aktuell wirklich ein Problem, man kann als Kunde nicht erkennen, ob der Händler in Geld schwimmt oder kurz vor der Insolvenz steht. Manche Händler, so mein Gefühl, machen das noch aus Gewohnheit, weil es während der Coronazeit auch so gut und ohne Gegenwehr des Kunden funktioniert hat.
Bei mir lief das vor einigen Wochen so:
Vor geraumer Zeit beim Händler bestellt (stand so nicht auf dem Hof und musste aufgrund meiner Konfiguration halt erst noch produziert werden) und eine minimale Anzahlung zur „Willensbekundung“ geleistet. Soweit alles ok. Als der Liefertermin näher rückte und ich mit dem Händler zwecks Kaufabwicklung telefonierte, bestand dieser plötzlich auf Vorkasse, damit er mit dem geleisteten Kaufpreis das Mobil beim Hersteller bezahlen kann und er im Gegenzug die Papiere erhält.
Alarmglockenmodus an! Weder die Lieferbedingungen auf der verbindlichen Bestellung noch seine AGB gaben aber sowas auch nur ansatzweise her. Habe ihm gesagt, er soll sich was überlegen, mit Vorkasse läuft da gar nichts! Bankbürgschaft wollte er nicht geben (kostet ihn ja Geld – was er ja wohl aktuell nicht so dicke hatte). Oder die Bank stellt ihm sowieso keine aus.
Noch mehr Alarmglockenmodus bei mir!! Der Händler war aber so gar nicht willens, von seiner "Vorkasse" abzurücken (da war mir dann spätestens klar, dass der wohl „a bisserl sehr klamm“ war), sodass ich schon soweit war, den ganzen Kauf abzublasen. Da hätte ich aber meine Anzahlung einklagen müssen. Das hätte sich gezogen.
Also habe ich mich dann mal selbst informiert: Im Bundesanzeiger kann man sich die veröffentlichten Bilanzen von GmbHs ziehen. Unsere Nachbarin ist Betriebswirtin und kann sowas lesen. Fazit: „Schaut“ auf dem Papier gesund aus, das muss aber auch noch lange nix heissen. Ansonsten im Internet auch nichts gefunden, was mich beunruhigt oder auch beruhigt hätte. Also mal einen Anwalt aus dem Bekanntenkreis kontaktiert, der sich mit sowas beschäftigt. Der hat mir folgendes Szenario vorgegeben, um unter den gegebenen Umständen (Händler brauch Geld, um Papiere zu bekommen, Kunde will Sicherheit für sein Geld, was der Händler eben mangels diesem nicht leisten kann – ein klassisches Patt) um einen Totalverlust meines Kaufpreises im Falle einer zwischenzeitlichen Insolvenz zu vermeiden:
1.) „Mein“ Mobil muss vom Hersteller geliefert sein und physisch auf dem Hof des Händlers stehen.
2.) Ich erscheine zwingend persönlich da vor Ort (telefonisch oder sonstwie online geht nicht!) und übernehme das Mobil wirtschaftlich in mein Eigentum, indem ich mit dem Händler genau dieses Mobil mittels eines Übernahmeprotokolls (auf Nennung der Fahrzeug-ID im Protokoll achten – die ist wichtig) die aufgeführten Positionen unter abschließender Nennung der fälligen Kaufsumme (also so eine Art Rechnung mit anhängendem Übernahmeprotokoll) als geliefert bestätige.
3.) Im Gegenzug habe ich ihm die komplette Kaufsumme per Sofortüberweisung mit dem Smartphone bezahlt – Betrag war auch 2 Minuten später auf seinem Konto eingegangen.
4.) Datum, Unterschrift von mir auf dem Übernahmeprotokoll/Rechnung: Kunde hat die Ware erhalten. Datum, Unterschrift des Händlers auf demselben Papier: Verkäufer hat die Kaufsumme erhalten.
Damit war das Mobil ab diesem Zeitpunkt mein Eigentum, obwohl ich noch keinerlei Papiere dazu hatte (und ja, das war mir auch neu und musste mir mein Anwalt auch erst mal näher erläutern). Jetzt konnte der Händler mit meinem Kaufpreis die Papiere beim Hersteller auslösen, das Mobil wurde, sobald die Papiere vom Hersteller zugestellt waren, zugelassen und von mir dann abgeholt. Während dieser Zeit stand das Mobil als mein Eigentum beim Händler auf dem Hof, weil der sowieso noch ein paar Sachen ein- und umbauen musste (da wollte er übrigens keine Vorkasse von mir
). Ende gut – alles gut.
Der entscheidende Punkt hier ist laut Anwalt die Form des Eigentumübergangs. Diese muss (Achtung: Juristensprech!) „personalisiert“ sein. Also Übernahme genau des exakt bezeichneten Fahrzeugs (ID!, siehe oben). Bei einem „nur“ abgeschlossenen Kaufvertrag (der lt. Anwalt lediglich eine Art „Willensbekundung“ darstellt) ist das aber noch nicht „personalisiert“, und deswegen risikobehaftet im Insolvenzfall. Falls mein Händler jetzt zwischen meiner Zahlung und Erhalt der Papiere Insolvenz angemeldet hätte, hätte ich gegenüber dem Insolvenzverwalter bei meinem beschriebenen Vorgehen ein „Aussonderungsrecht nach §47 der Insolvenzordnung“, da ja mein „personalisiertes“ Eigentum.
Hinweis an alle Rechtsanwälte und evtl. selbsternannte Rechtsexperten hier im Forum: Bitte verzeiht mir die ein oder andere eventuelle Ungenauigkeit in meinen Formulierungen. Ich habe mir fleissig Notizen gemacht, als mein Anwalt mir das erklärt hat, ich habe das Juristendeutsch dann mal nur so für mich in allgemeintaugliche Sprache übersetzt. Und für eventuelle Diskussionen, ob das Konstrukt jetzt absolut wasserdicht ist, oder ob da vielleicht doch noch eine Lücke, Unsicherheit, oder blablabla…, bin ich definitiv der falsche Ansprechpartner. Den Anwalt kenne ich schon gut und gerne 25 Jahre, der erzählt mit keinen Mumpitz. Und ja, der hat mir das schriftlich ausgearbeitet und mir dafür auch eine Rechnung gestellt, die ich mit Freuden bezahlt habe. Ein ruhiger Schlaf ist mir schon was wert.
Fazit für mich: Sowas unbedingt vorher klären (ja, das war mein Verschulden). Wenn ein Händler zwar seriös, aber aktuell etwas klamm ist, kommen die halt auf so seltsame Ideen mit Vorkasse ohne Sicherheiten. Mit oben beschriebenem Vorgehen war mein Händler auch sofort einverstanden. Hatte damit doch jeder, was er wollte: Er sein Geld zum Bezahlen des Herstellers, ich die gewünschte Sicherheit für meine Kaufsumme.